In der Abgeschiedenheit des größten Gebirges Irans erhebt sich, noch unentdeckt von der Welt, eine Siedlung von sesshaft gewordenen Bachtiaren. Wie Bienenwaben fügt sich ein Haus an das andere und gemeinsam bieten sie einen der großartigsten Anblicke des Landes. Dabei ist ein Leben in diesem Dorf eine sehr traditionsbehaftete Form das Nomadentum aufzugeben.
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Eine holprige Schotterpiste entlang, die sich durch die massive Gebirgslandschaft des Zagros schlängelt, führt geradewegs in das Kerngebiet der Bachtiaren, einer der traditionell nomadischen Bevölkerungsgruppen des Landes. Schon vorbeiziehende Viehherden und die aufgeschlagenen Zeltlager zeugen von einem Leben der Bachtiaren, welches hier über die Jahrhunderte hinweg konserviert geblieben zu sein scheint. Gegen den schwindelerregenden Blick in den drohenden Abgrund und die nicht enden wollenden Kurven hilft einzig und allein die Fokussierung auf die grandiose Berglandschaft mit dem weit über 4.000 Meter hohen Zard Kuh als Krönung des Zagros. Und doch schafft eine kleine Siedlung der Bachtiaren die einmalige Schönheit der Landschaft noch zu übertreffen. Nach stundenlanger Fahrt ist das Ziel nichts Geringeres als eines der schönsten Dörfer der Welt. Und dabei scheint die Welt noch nicht aufmerksam geworden zu sein auf diese abgeschiedene Manifestation bachtiarischer Kultur und Baukunst. Zu verdanken ist dieses pittoreske Dorf, dessen Häuschen dem Berghang förmlich entspringen zu scheinen, einem Bachtiaren-Stamm, der mit dem Grundstein dieser Siedlung die Entscheidung fällte sesshaft zu werden.
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Ein nomadisches Leben im Iran
Halsbrecherische Migration
Konflikte und Alltag
Jeden Morgen erwacht das kleine Dorf zu neuem Leben, wenn sich die Einheimischen auf den Dächern der ineinander verschachtelten Häuser tummeln, um die ersten Arbeiten des Tages zu verrichten. Dann tragen die durchwegs starken Frauen schwere Lasten quer durch das ganze Dorf und die Ältesten sitzen zusammen und tauschen sich über bevorstehende Dorfentscheidungen aus. Der Bürgermeister selbst muss mittlerweile kein alter Herr mehr sein und das ist er mit seinen Mitte 40 auch nicht. Dass ihm in seinen jungen Jahren die Ehre zuteil wurde, Entscheidungen für das ganze Dorf zu treffen, ist seiner elementaren Bildung zu verdanken. Es war eine zentrale Bedingung, auf die sich die Dorfgemeinschaft geeinigt hatte, dass der Bürgermeister angesichts seines Amtes zumindest einen elementaren Schulabschluss haben sollte. Der einen Tick zu modern wirkende Mann, der nun offiziell das letzte Wort hat, ist in der Pflicht aufkeimenden Konflikte innerhalb der Dorfgemeinschaft zu lösen. Ein neu gebautes Haus inmitten der dichten Siedlung ist da schon einmal Anlass für Unmut. Ein ganzes Ordnungsgefüge gerät durcheinander, wenn sich nun ein neues Haus und Dach dort befinden, wo zuvor noch die Schneemassen hingeschaufelt wurden.
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Ausblick - Eine Frage der Generation
Wie so oft auch anderswo gibt es im Iran eine große Diskrepanz zwischen der nomadischen/halbnomadischen und der städtischen Bevölkerung. Die Stellung der nomadisch lebenden Menschen in der iranischen Gesellschaft ist alles andere als zufriedenstellend für die Bachtiaren. Vor allem die Leute aus den Großstädten wie Isfahan stehen den Bachtiaren mit einer gewissen Ablehnung gegenüber, ihre Einfachheit und ihr niedriges Bildungsniveau seien dafür verantwortlich, sagt man. Unumstritten ist, dass zwei völlig unterschiedliche Lebenswelten aufeinanderprallen und der weltweit gängige Gegensatz Stadt-Land wird noch verstärkt, wenn eine nomadische Tradition im Hintergrund steht. Und tatsächlich treffen diese Lebenswelten immer häufiger aufeinander, weil viele der jüngeren Bachtiaren mit dem nomadischen oder auch nur traditionellen Leben brechen und in die Stadt ziehen. Diese jüngere Generation sieht sich schließlich nicht nur mit der naserümpfenden Stadtbevölkerung konfrontiert, sondern bekommen auch aus der eigenen Familie starken Gegenwind zu spüren. Ein gewisser Generationenkonflikt ist unvermeidbar, wenn die älteren Familienmitglieder auf das nomadische oder zumindest kleindörfliche Leben beharren und die jüngeren sich nach dem Leben in der Stadt sehnen.
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