Die Traumfabrik läuft in Marokko auf Hochtouren und nein, damit sind dieses Mal nicht die beliebten Hollywooddrehplätze im Land gemeint. Abseits der Dünen und Kasbahs sind es zuerst einmal die Königsstädte, die jedes verträumte Bild des Orients bedienen. Hier tummelt man sich schließlich in engen Gassen zwischen Kitsch und Kunsthandwerk, prächtigen Riads in französischer Hand und einfachen Imbissständen mit ihren lokalen Köstlichkeiten.
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Der Zauber des Orients trifft auch uns, als wir den modernen Teil der Stadt hinter uns lassen und in die Medina von Fès eintauchen. Innerhalb der massiven Altstadtmauern scheint der mit Sehnsüchten besetzte Orient konserviert mit Eseln und Pferden als Zugtieren, die sich mithilfe ihrer Herren einen Weg durch die vollen Gassen bahnen. Nüchtern betrachtet ist natürlich nichts Romantisches am harten Arbeitsalltag von Mensch und Tier, aber für die Momente, wo alarmierende Rufe das nächste Zugtier ankündigen und wir und all die anderen neben uns bereitwillig versuchen Platz zu machen, bleibt unser Blick verklärt.
Den scheinbar endlosen Spaziergängen durch die Altstadt gehen meist Warnungen voraus. Westliche Reisende würden sich im Gewirr der Gassen verirren, sich in Fès zu orientieren würde vielen nicht gelingen. Dann kursieren Geschichten von Reisenden, die ihre Unterkunft nicht mehr gefunden und irgendwann völlig verzweifelt dort angerufen hätten. Aber die Aussicht sich zwischen den mittelalterlichen Stadtmauern zu verlieren ist das mit Abstand Reizvollste, was die Stadt zu bieten hat. |
In welchen Städten oder Stadtteilen kann man das heute schon? Sich all die Wege zu erarbeiten bis eine Mental-Map im Kopf jede Orientierung bietet, die man braucht, also eine Karte, die nicht persönlicher und aufschlussreicher sein könnte – das ist ein Erlebnis sondergleichen. Es gibt nichts Besseres als sich auf die vorläufige Undurchsichtigkeit einer orientalischen Altstadt mit ihren (Sack-)Gassen einzulassen und in Fès sind diese besonders zahlreich, eng und verwinkelt, sind diese besonders schön. Gerade die kleinen Irrwege, die ins vermeintliche Nirgends führen, sind lohnenswert und geben neben den Hauptadern mit den vielen anderen Reisenden und unzähligen Souvenirständen das Gefühl die Stadt abseits eines touristischen Trubels erfahren zu können. Dort, wo einmal keine breiten Straßen die immer gleichen Wege vorgeben, versprechen die vielen in die Irre führenden Gassen der Medina niemals alle Geheimnisse dieser Altstadt entlüften zu können – einer der denkbar charmantesten Seiten des Orients. Jeder Versuch die Medina als Karte in Reiseführern abzubilden, ist schlussendlich immer zum Scheitern verurteilt. Die Genauigkeit, die es bräuchte, um tatsächlich alle Gassen abzubilden, kann niemals erzielt werden. Davor sich zu verirren schützen diese Karten keineswegs. Die zu Fuß mühsam erarbeitete Karte im Kopf ist das Einzige, was wirklich hilft. Fés offenbart sich schließlich als ein gut sortiertes Chaos der Kostbarkeiten. Und neben den vielen kleinen Gassen gibt es sie außerdem doch: die Orientierungspunkte in der Stadt. Irgendwann führen doch alle Wege zur Freitagsmoschee und zum zentralen Souk der Medina bzw. zur Hauptachse Tala'A Kbira.
Sich eine Stadt erarbeiten, zumindest zu glauben, sie so kennenlernen zu können – wo macht man das schon, wo hat man dazu besser die Gelegenheit als in einer verwinkelten Medina? Damit können alle Warnungen getrost beiseite geschoben werden. Die kleinen Schätze innerhalb der auch bei 30 Grad kühlen Altstadtmauern finden sich früher oder später ganz von alleine. So stehen Reisende dann plötzlich in den Innenhöfen der Medersa Bou Inania und der Medersa el-Attarine, die im Unterschied zu den Moscheen in Marokko auch für Nicht-Muslime zugänglich sind, auf dem Platz Nejjarine und vor dem Mausoleum des Stadtgründers Moulay Idriss II. Aber all diese Sehenswürdigkeiten sind nicht der Grund für eine Reise nach Fès, mit Ausnahme der traditionellen Gerberei und Färberei, eine Reise durch die Königsstädte ist keine Sehenswürdigkeiten-Rallye und sobald man innerhalb der Altstadtmauern irrt, hat man zugleich alles und nichts gesehen – und nur darum geht es am Ende.
Sich eine Stadt erarbeiten, zumindest zu glauben, sie so kennenlernen zu können – wo macht man das schon, wo hat man dazu besser die Gelegenheit als in einer verwinkelten Medina? Damit können alle Warnungen getrost beiseite geschoben werden. Die kleinen Schätze innerhalb der auch bei 30 Grad kühlen Altstadtmauern finden sich früher oder später ganz von alleine. So stehen Reisende dann plötzlich in den Innenhöfen der Medersa Bou Inania und der Medersa el-Attarine, die im Unterschied zu den Moscheen in Marokko auch für Nicht-Muslime zugänglich sind, auf dem Platz Nejjarine und vor dem Mausoleum des Stadtgründers Moulay Idriss II. Aber all diese Sehenswürdigkeiten sind nicht der Grund für eine Reise nach Fès, mit Ausnahme der traditionellen Gerberei und Färberei, eine Reise durch die Königsstädte ist keine Sehenswürdigkeiten-Rallye und sobald man innerhalb der Altstadtmauern irrt, hat man zugleich alles und nichts gesehen – und nur darum geht es am Ende.
Fès ist eine der vier Königsstädte und war damit so wie Meknès, Rabat und Marrakesch über lang oder kurz das Zentrum einer der vielen Herrschaftsdynastien im Land. Einen Katzensprung von Fés entfernt bietet die jüngere Königsstadt Meknès andere Vorzüge als ihre Nachbarin. Nicht, dass man sich nicht auch hier in den Gassen der Medina verirren könnte, aber das Stadtbild ist ein anderes als in Fés. Die Häuserfassaden wirken jünger und bunter. Es ist kaum zu glauben, wie viele Farben sich in nur einem Altstadtkern an Fassaden, Türen und Fenstern zusammenfinden können. Man könnte fast meinen, hier wäre längst ein Wettstreit über die ausgefallenste Tür und die effektvollsten Farben ausgebrochen. Tatsächlich wird eine Art Wettstreit aber im Inneren der mal schönen und mal weniger schönen Fassaden ausgetragen. Die Schönheit der Riads, der traditionellen Häusern mit Innenhöfen, offenbart sich Reisenden erst beim Eintritt in die im Vorfeld gebuchte Unterkunft oder noch besser auf der Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit – die beste Möglichkeit diese Schmuckkästchen der Stadt zu entdecken. Was sich im Inneren kühler Altstadtmauern verbirgt, lässt sich nie wirklich sagen. Manchmal eröffnen sich ganze Oasen in einem unscheinbar wirkenden Haus. Meist ist die Liebe zum Detail gewiss und im besten Fall sind die Zimmer mit marokkanischen Holz- und Metallarbeiten bestückt. Weniger individuell aber dafür noch ein Stück prunkvoller zeigt sich der ehemalige Palastbezirk der Stadt. Die Medina hinter sich lassend schlendert man dann an dem gut bewachten Tor Bab Mansour vorbei, um den Weg in das Mausoluem Moulay Ismail anzutreten. Ein gänzlich anderes Erscheinungsbild bietet die Medina Rabat mit ihrer Lage am Meer und eingeschlossen von einer massiven Stadtmauer. Der Blick über den Fluss Bou Regreg auf die Medina mit ihren blauweiß getünchten Häusern und Türen offenbart den unweigerlichen Charme eines Küstenstädtchens, welches die Bezeichnung Städtchen natürlich nur verdient, wenn alles abseits der Medina kurzerhand ausgeblendet wird.
Bei all der scheinbar makellosen Schönheit der Königsstädte, holt uns die ernüchternde Realität gerade beim Blick über die lieblichen Altstadtdächer ein. Auf einen der vielen Terrassen am Dach, die Reisende zumindest marrokanischen Minztee und meist köstliche Tajines bieten, treffen wir Ali, einen jungen Koch, der wie wir eine kleine Pause einlegt. Der Versuch über Politik zu reden scheitert. Die unreflektierte Königstreue vieler Marokkaner/Marokkanerinnen führt jede politische Diskussion, welche die Bezeichnung Diskussion verdienen würde, ad absurdum. Das fehlt uns in Marokko, nicht nur auf dem einen Dach in Meknès hören wir die immer gleichen Floskeln über die Wohltaten des Königs, die mit Argumenten verwechselt werden und zu nichts führen. Kein Wort fällt über die repressive Politik, das marode Bildungssystem und schon gar nicht über die Ungeheuerlichkeiten im Zuge des Westsaharakonfliktes. Kein Ruf nach Umverteilung des augenscheinlich zutiefst ungleich verteilten Vermögens dringt an unsere Ohren. Aber es gibt sie bestimmt: die kritischen Köpfe im Land, nur eben nicht an jeder Straßenecke. Wahrscheinlich treffen wir nur die falschen, deren unreflektierte Königstreue eben auch eine Auswirkung einer Bildungspolitik des ach so verehrten Königs ist.
Bei all der scheinbar makellosen Schönheit der Königsstädte, holt uns die ernüchternde Realität gerade beim Blick über die lieblichen Altstadtdächer ein. Auf einen der vielen Terrassen am Dach, die Reisende zumindest marrokanischen Minztee und meist köstliche Tajines bieten, treffen wir Ali, einen jungen Koch, der wie wir eine kleine Pause einlegt. Der Versuch über Politik zu reden scheitert. Die unreflektierte Königstreue vieler Marokkaner/Marokkanerinnen führt jede politische Diskussion, welche die Bezeichnung Diskussion verdienen würde, ad absurdum. Das fehlt uns in Marokko, nicht nur auf dem einen Dach in Meknès hören wir die immer gleichen Floskeln über die Wohltaten des Königs, die mit Argumenten verwechselt werden und zu nichts führen. Kein Wort fällt über die repressive Politik, das marode Bildungssystem und schon gar nicht über die Ungeheuerlichkeiten im Zuge des Westsaharakonfliktes. Kein Ruf nach Umverteilung des augenscheinlich zutiefst ungleich verteilten Vermögens dringt an unsere Ohren. Aber es gibt sie bestimmt: die kritischen Köpfe im Land, nur eben nicht an jeder Straßenecke. Wahrscheinlich treffen wir nur die falschen, deren unreflektierte Königstreue eben auch eine Auswirkung einer Bildungspolitik des ach so verehrten Königs ist.
Marrakesch entpuppt sich zunächst als herbe Enttäuschung. Die Hausfassaden der Medina zeigen sich weniger eigenwillig, weniger individuell muten auch die Stände und Läden an und es fällt tatsächlich schwer die stets rezitierte Verzückung Reisender über diese Stadt nachzuvollziehen. Alles, was wir sehen, blieb von anderswo doch schon viel prächtiger und charmanter in Erinnerung. Und wir fragen uns, ob die in helle Begeisterung versetzten Marrakesch-Besucher/innen denn Fès nicht kennen und lieben gelernt haben? Die Ansammlung an teuren Riads scheint hier dichter als in den anderen Städten und konfrontiert mit den Eigentumsverhältnissen fällt es plötzlich schwer charmante Züge der Oasen-Innenhöfe anzuerkennen. Die zahlreichen und prunkvollen Riads sind überwiegend in französischer Hand. Besonders in Marrakesch schnellen die Preise für Unterkünfte wie diese in die Höhe. In postkolonialer Manier schaffen sich hier Aussteiger/innen deluxe ein für marokkanische Verhältnisse auf viel Geld gegründetes Paradies in der ehemaligen französischen Kolonie. Die Riads werden aufgekauft und pompös in Szene gesetzt, um sich schließlich in die Traumwelt eines Innenhofes zu verschanzen, die bei weitem nichts mit dem harten Arbeitsalltag vor den Türen dieser kleinen Paläste zu tun hat. Den Marokkaner/innen begegnet man als Angestellte, die das eine oder andere Mal in Verlegung geraten, weil der französische Besitzer auf den horrend hohen Preis für das Zimmer beharrt. Trifft man auf die französischen Eigentümer persönlich, haben die mitunter nur ein verächtliches Lächeln und ungläubiges Kopfschütteln für Reisende übrig, die nicht schon Monate im Voraus gebucht haben und noch dazu nicht bereit zu sein scheinen ein für marokkanische Verhältnisse schönes Sümmchen Geld für die Nacht zu bezahlen. Nichts lässt uns den Hype um diese eine Königsstadt gerade im Vergleich zu den anderen verstehen. Was uns beim Schlendern durch die Gassen zu viel wird an konsumierbaren Kitsch, ist anderen Reisenden gerade recht. Reisenden, die ihrer Kleidung nach geradewegs vom Strand zu kommen scheinen und zwischen Sonne, Strand und Meer etwas orientalische Würze hineinbringen wollen. Nirgends sonst begegnet uns eine derartige Dichte an respektlos gekleideten Reisenden, die eine Medina mit einem Einkaufsparadies für ignorant gelangweilte Touris gleichsetzen.
Zwischen den ewig gleichen Taschen, die inflationär in den Läden hängen, bietet Marokko aber auch Kunsthandwerk vom allerfeinsten. In den nach Kunsthandwerkrichtungen unterteilten Basaren gibt es von detailreichen Metallarbeiten, über aufwendig verzierte Holzmöbel bis zu feinen Lederverarbeitungen viel zu entdecken und mit einem etwas größeren Geldbeutel auch zu kaufen. Wer eine Beziehung zu dem erworbenen Lederstück haben möchte, sollte dann aber doch schnellstens nach Fès zurück, wo sich ein Stück Mittelalter bis heute lebendig gehalten hat. Die traditionelle Färberei und Gerberei ist ein Erlebnis sondergleichen.
Wer sich davor hütet im Gerberviertel auf aufdringliche Wegweiser hereinzufallen, um auf eigene Faust den Weg zu den Aussichtsterrassen und dem Eingang zur Färberei zu finden, erspart sich nervende Diskussionen um Trinkgeld und wird schließlich trotzdem mit dem Blick auf die bunten Farbkesseln belohnt. Reisende decken sich gerne mit Minze ein, um dem Gestank vor Ort entgegen zu wirken. Wir hätten demnach Schlimmeres erwartet. Unsere Nasen finden, dass jede Güllefahrt am Land eine stärkere Geruchsbelästigung darstellen. |
Vielleicht liegt es auch an der Jahres- und Tageszeit oder einfach an der Faszination, die diese Werkstätte auf uns ausübt, aber der Geruch, der in der Luft liegt, stört uns nicht weiter. Ob nun Geldbörsen oder Sofas aus den Tierhäuten gefertigt werden, Fès ermöglicht einen unmittelbaren Einblick in ein paar Arbeitsschritte dieser Handwerkskunst. Mühevoll werden hier die Tierhäute den ganzen Tag über bearbeitet und liegen eingetaucht in den großen Farbkesseln, bis sie schließlich irgendwann von den kleinen Werkstätten in der Stadt zu den fertigen Lederwaren verarbeitet werden können.
Was Marrakesch für uns rettet sind die Nächte, dann haben die Massen an Menschen in dieser Stadt etwas Gutes an sich. Der Platz Djemaa el Fna lebt vom Getümmel. Ein hoffnungsloses Gewirr von sich wie im Fluss bewegenden Menschen haucht dem sonst auch nicht weiter spektakulären Platz das pure Leben ein. Wenn die Sonne längst untergegangen ist und nunmehr künstliches Licht den Platz erstrahlen lässt, lebt der Platz von den Menschen, die ihn Nacht für Nacht wie von alleine füllen und zu einem Erlebnis machen. Von den Imbissständen ziehen Rauchschwaden auf, Musiker tragen ihren Teil für den sinnlichen Rausch bei, in den der in Ekstase versetzte Platz einen versetzt. Zu entscheiden bleibt, ob man das Geschehen aus naher Distanz von einen der vielen Cafes beobachten oder hautnah selbst Teil dieser riesigen Formation sein möchte, in der Stillstand zur Provokation wird. Die Königsstädte Marokkos bieten ohne Zweifel so Einiges, was das am Orient faszinierte Herz begehrt. Letztlich gleichen sie der herrlichen marokkanischen Küche. Als köstlichen Tajine sind sie ein Festschmaus, unter den sich ab und an eine etwas zu bittere Olive mischt.