Fotohighlights 2017 - Ein anderes Afghanistan

Afghanistan – wenn wir mit großer Selbstverständlichkeit davon erzählen, dass wir bereits zweimal dieses Land bereist haben, ernten wir für gewöhnlich ungläubige Gesichter und verstörte Blicke. Zu Recht, muss man sagen. Es handelt sich keineswegs um eine Destination, die man auf die leichte Schulter nehmen kann – die Taliban ist in vielen Regionen allgegenwärtig und auch nicht die einzige Gefahr, die das Land zu bieten hat.

Aber es gibt sie doch – die Regionen, die mit unseren gemeinläufigen Bildern des Landes aus der Medienberichterstattung brechen. Der afghanische Wakhan und der afghanische Pamir (eigentlich muss man sogar von Pamire sprechen) sind solche Oasen des Friedens und eröffneten uns einen völlig neuen Blick auf das Land. Es ist ein anderes Afghanistan , eines abseits der Burka und des Terrors, das wir bereisen konnten. Und eben diesem Afghanistan wollen wir unseren Beitrag zur diesjährigen Fotoparade von Michael widmen und dabei alle vorgeschlagenen Kategorien von Michael erfüllen. Es ist für uns eines der schönsten Fleckchen Erde, die wir uns vorstellen können und wir möchten es euch vorstellen – mit all seiner Farbenpracht, seinen starken Frauen, seinen herzlichen Männern und seinen atemberaubenden Landschaften.

Mit diesem Artikel nehmen wir an der zweiten Fotoparade 2017 teil. Unseren Beitrag zum ersten Halbjahr findet ihr hier: www.inextenso.at/indien/reise-und-fotohighlights-2017
Michael ruft diese Fotoparade nun schon viele Jahre jeweils zweimal im Jahr ins Leben, mehr dazu findet ihr auf seinem Blog Erkunde die Welt und unter www.erkunde-die-welt.de/2017/12/05/schoene-fotos-fotoparade-2-2017 .

Jedes Jahr finden sich BloggerInnen, die mit ihren Beiträgen und Fotos um die ganze Welt führen, die Schönheit dieser Erde mit ihren Aufnahmen einfangen, teilen und Lust aufs Reisen machen, ob nah oder fern. Daher seien hier auch ein paar andere Beiträge dieser aktuellen Fotoparade verlinkt:

imprintmytravel.com - zeigt, warum Island zu einem derart beliebten Reiseziel geworden ist
1thingtodo.de - entführt in die Welt der Berg
salty-toes.com - führt in unsere Heimat Österreich und in das ferne China
phototravellers.de - zeigt schöne Ecken Europas und schweift in die weite Ferne zum Mount Everest
esthers-travel-guide.com - zeigt tolle Reiseziele wie Marokko, Algerien oder Israel
www.moosearoundtheworld.de - führt eindrücklich die Schönheit der heimischen Bergwelt vor Augen
www.cachentravel.de - entführt in das facettenreiche Namibia
travelinspired.de - zeigt eindrücklich die faszinierende Fauna Südgeorgiens und der Falklandinseln

Der Glanz sternenklarer Nächte

Es ist das Dach der Welt, das uns eben auch wegen dieser atemberaubenden Landschaft in seinen Bann gezogen hat. Der Pamir kennt keine Landesgrenzen und auch wenn er gemeinläufig mit Tadschikistan in Verbindung gebracht wird, so hält Afghanistan gleich zwei Pamire, die als Kleiner und Großer Pamir bekannt sind, bereit.
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In der völligen Abgeschiedenheit einer schönen, aber unwirtlichen Bergwelt haben die Kirgisen und Kirgisinnen Afghanistans ihre Heimat gefunden. Wir selbst werden in dieser Nacht in der benachbarten Jurte beherbergt und scheinen die einzigen zu sein, welche die deutlich zu erkennende Milchstraße beeindruckt, sind sternenklare Nächte doch eine Selbstverständlichkeit hier.

Familie - Zusammenhalt auf engstem Raum

Nur durch eine kleine Öffnung des Daches fällt Licht in die traditionellen Pamiri-Häuser des afghanischen Wakhans. Als wir das erste Mal die Möglichkeit haben ein solches Haus zu betreten, verschlägt es uns die Sprache.

Wir sind fasziniert von dieser Architektur und erkennen die einzigartige Schönheit dieser Häuser, ohne die einfachen Lebensverhältnisse verklären zu wollen. Aber es sind nicht nur diese Häuser, es ist das Leben, das sich in ihnen abspielt, das die grauen und vom Ruß geschwärzten Gemäuer lebendig werden lässt. Das Pamiri-Haus besteht aus verschiedenen Ebenen und je nach Ebene wird geschlafen, gegessen, gekocht, gewohnt. Besonders ärmere Familien besitzen nichts anderes als dieses eine Haus.
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​Diese Familie erzählte uns, dass sie wegen einer Naturkatastrophe alles verloren hatten, was sie neben ihrem Leben besaßen. Eine Mure vernichtete ihr Haus vor einigen Jahren. Nur mithilfe der Agha-Khan-Stiftung konnten sie eben dieses Haus neu errichten, diese Hilfe war der entscheidende Lichtschimmer in der Not.

Wie das Leben spielt

Unzählige Male wird man mit dem gemeinläufigen Schwarz-Weiß-Denken konfrontiert, nicht nur, aber gerade auch, wenn es um Afghanistan geht. Die Urteile, die getroffen werden, sie basieren eigentlich nie auf einer Expertise, die es erlauben würde zu urteilen.
Wir wollen mit dem Beitrag mit vorurteilshaften Vorstellungen über Afghanistan brechen, zeigen, dass es sich lohnt einen genaueren Blick darauf zu werfen und zu differenzieren.

​Dabei brechen wir gleichzeitig mit der Kategorie der Fotoparade „ schwarz-weiß “, verstehen es inhaltlich und machen daraus eine Antikategorie im doppelten Sinne. „Vergib mir, dass ich rauche. Vergib mir für diese Sünde.“ Das waren die Worte dieses Wakhis, während er in einer kirgisischen Jurte Opium rauchte und mir erlaubte Aufnahmen von ihm zu machen. Auch hier gilt der Appell sich von einem Schwarz-Weiß-Denken zu lösen, einen genaueren Blick auf die Situation der Menschen zu werfen, um zu verstehen.

Viele Wakhis, Kirgisen, aber auch Kirgisinnen sind in dieser Region opiumabhängig. Einmal in Versuchung geführt, ist es schwer wieder davon loszukommen. Dahinter steht ein großes Geschäft. Die Händler, die von anderen Regionen hierher ziehen, um ihre Waren zu verkaufen, begeben die lokalen Leute bewusst in eine Abhängigkeit, die früher oder später ins Verderben führt. Schulden werden aufgenommen, Tiere werden verkauft und die Händler verdienen sich eine goldene Nase.

Es ist ein Spiel um Macht, das die Abhängigen immer zu Ohnmächtigen werden lässt, auch wenn die Droge zu Beginn neue Lebensgeister verspricht. Dabei ist es menschlich einer Sucht zu erliegen, je stärker die Droge, desto schwieriger ist es davon loszukommen. Aber es gibt Hilfe, die einige auch in Anspruch nehmen. Eine Antidrogenstation im Krankenhaus der Agha-Khan-Foundation ist eine mögliche Anlaufstelle für Opiumabhängige. Der Weg zu einem opiumfreien Leben bleibt aber steinig, viele schaffen es nie.

Mutige Mädchen und mächtige Yaks

In jeder Jurtensiedlung gibt es einige Familien, die auf die Tiere der Reichen aufpassen, sie pflegen und melken. Die zwei Schwestern hier gehören zu so einer Familie und jeden Tag kümmern sie sich mehrmals um die mächtigen und alles andere als ungefährlichen Yaks.

​Viel kleiner als die ausgewachsenen Yaks und nicht viel größer als die Babyyaks, die sie immer wieder von ihren Müttern wegziehen müssen, bannen sich die mutigen Mädchen in ihrer festlich anmutenden Alltagskleidung ihre Wege durch die Yakherde.
Dabei muss die kleinere Schwester der beiden noch lernen, wie sie richtig melkt. Deshalb blickt sie voller Konzentration auf ihre Schwester und versucht eifrig mitzuhelfen, wo sie nur kann.

Dazu gibt es auch ein kleines Video, das wir euch nicht vorenthalten möchten.

Schmale Trampelpfade, aber wichtige Handelswege

Es ist immer wieder beeindruckend, wie Mensch und Tier es schaffen eine derart imposante und mächtige Natur in Form gewaltiger Berge für sich zu erschließen. Dieser unscheinbar wirkende Trampelpfad ist die einzige Verbindung des Kleinen Pamirs und damit der kirgisischen Siedlungen mit dem Rest Afghanistans.
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Keine Straße führt zu den kirgisischen Nomaden und Nomadinnen, wer hierher will, muss einen dreitägigen Marsch auf eben diesen Wegen in Kauf nehmen und begegnet auf dieser Reise neben allgegenwärtigen gefährlichen Abgründen Händlern, Hirten und Nutztieren wie Yaks, Eseln und Pferden.
Dabei ist gerade dieser Pfad nichts Geringeres als eine der ehemals so bedeutenden Handelsstraßen des weit verzweigten Netzes der Seidenstraße. Die Grenze zu China ist heute geschlossen, die damals wichtige Handelsstraße zu einer Sackgasse geworden.

Fesselnde Schönheit

Es sind Gesichter voller Ausdrucksstärke, die uns in Erinnerung bleiben werden. Beinahe bin ich versucht zu sagen Afghanistan ist das Land der schönen Menschen. Eine ganz subjektive Wertung natürlich.
Aber nirgends haben uns Augen derart in ihren Bann ziehen können wie hier.
​Die Nahaufnahme eines Wakhis soll zeigen warum. Dieser Blick dieses Mannes, er spricht Bände für uns und scheint doch das entscheidende Geheimnis nicht preiszugeben. Wir verlieren uns darin nur zu gerne, sind gefesselt von Schönheit, die keineswegs immer nur weiblich sein muss.

Das Zentrum in der Peripherie

Die Jurtensiedlungen der nomadisch lebenden Minderheit sind wohl nicht das, was wir gemeinläufig mit einem Stadtbild verbinden würden und doch sind Zentren voller Leben in der öden Kaltwüste des Kleinen Pamirs.
​Wer sich für eine Reise zu den Kirgisen und Kirgisinnen des Kleinen Pamirs entscheidet, macht sich auf in die völlige Isolation und in dieser Peripherie Afghanistans scheinen eben auch schon verhältnismäßig kleine Jurtensiedlungen wie große Zentren. Das komplette Vermögen der ansässigen Leute liegt dabei seelenruhig vor sich hinkauend unmittelbar vor den temporären Behausungen, während die Siedlung selbst eingerahmt wird von den dahinterliegenden schneeweißen Gipfeln. Nicht weit von hier nehmen der Gebirgszug Karakorum und Pakistan seinen Anfang.

Der Zwang der schönen Tradition

Die Isolation dieser Region hat zu Folge, dass sich hier viele Traditionen der kirgisischen Bevölkerung erhalten haben, die man in Kirgistan schon lange nicht mehr finden wird. Gerade die festlich anmutende Kleidung, die jeden Tag und bei jeder zu verrichtenden Arbeit getragen wird, hat es uns angetan.
Der auffallende Farbkontrast zwischen den weißen und roten Schleiern ist von ungemeiner Bedeutung, sind doch die Frauen mit den roten Schleiern noch unverheiratet.

​Ehen werden hier für die jungen Leute arrangiert, sie selbst haben so gut wie kein Mitspracherecht und die jungen Frauen müssen nach der Hochzeit ihre Familie verlassen und ein neues Zuhause bei der Familie ihrer frisch angetrauten Männer finden. So schön wir die traditionsbehaftete Lebensweise mit diesen Kleidern und den wunderschön geschmückten Jurten auch finden, sie lässt sich wie überall auf der Welt natürlich nicht trennen von einem gewissen Konservatismus, der auf die Lebensverhältnisse in eben dieser Isolation zurückzuführen ist und in Anbetracht dessen völlig verständlich ist.

Wahre Gastfreundschaft

Das tägliche Essen auf über 4.000 Meter ist bescheiden, was noch nichts heißen will. Das frisch gemachte Yakjoghurt und Fladenbrot waren stets köstlich.
Wenn Reisende nach einer anstrengenden Etappe in einer Jurtensiedlung ankommen, steht eine Jurte für sie bereit, wo die erschöpften Händler oder Reisenden stets mit Joghurt, Brot und Tee willkommen geheißen werden.

​Diese warmherzige Frau hat mich in ihre Jurte eingeladen und mir prompt eine Schale des hier typischen Tees mit Yakmilch und Salz angeboten. Gastfreundschaft ist ein kostbares Gut, soviel kostbarer als eine Unmenge an Delikatessen, die man nur für sich behält. Und eben diese Gastfreundschaft wird in dem Afghanistan, das wir kennenlernen durften, hochgehalten.

Die Pracht starker Frauen des unerbittlichen Pamirs

Das Leben in der Abgeschiedenheit des Kleinen Pamirs beinhaltet nicht nur die Aussicht auf überwältigende Bergkulissen, sondern auch die Aussicht ein hartes Leben voller Entbehrung zu führen.
Dem Lächeln auf den Lippen der Kirgisinnen tut das keinen Abbruch. Ihre langen Schleier wehen im Wind und streifen immer wieder den Boden und bei all der harten Arbeit, die sie verrichten, ist es nur schwer nachvollziehbar, wie die Farben ihrer Kleidung so strahlend schön bleiben können. Ohne Zweifel haben Frauen mehr Arbeit zu erledigen als Männer. Sich um die Allerkleinsten zu kümmern gehört natürlich auch dazu.
​Überlebt die Mutter die Geburt und das Kind erst einmal die ersten Monate sind die ärgsten Ängste vorerst ausgestanden. Die Kindersterblichkeit ist in dieser Isolation hoch und viele Frauen lassen ihr Leben bei der Geburt ihres Kindes.

Freiheit

Freiheit ist relativ. Gemessen an unserem westlichen Leben würde dieses Mädchen hier wohl niemand als frei bezeichnen.
Und doch. Vergleicht man ihr Leben im afghanischen Wakhan mit dem Leben so vieler anderer Mädchen im restlichen Afghanistan, dann ist sie freier als die meisten ihres Geschlechts.

​Niemand zwingt sie ihr Gesicht, ja sogar ihre Augen mit einer der in Afghanistan weitverbreiteten Burka zu verhüllen. Sie ist nicht dazu verdammt nur in einem Gefängnis aus Stoff in die Öffentlichkeit zu gehen, muss ihr Selbstbewusstsein nicht verstecken, ihren Blick nicht senken, wenn Andreas bei mir ist und kann frei zur Schule gehen und sogar ihre Träume von einem Studium verfolgen. Das ist das Afghanistan, das wir lieb gewonnen haben.

Es ist alles andere als leicht sich für das beste Foto zu entscheiden, aber wenn ich eine Wahl treffen muss, fällt sie auf dieses Portrait, auch weil uns dieser Blick des Mädchens nicht mehr loslässt.

Die Reise nach der Reise - wie es jetzt weitergeht

Unsere Leidenschaft Fotografie ermöglicht es uns Welten zu betreten, von denen wir zuvor keine Ahnung hatten. Eine dieser Welten ist die der Fotografie selbst.
Nicht einmal einen Monat nach der Rückkehr aus Zentralasien erreichte uns die unglaubliche Nachricht, dass ich mit meinem Portfolio über Afghanistan und Arunachal den Photography Scholarship Award von meinem fotografischen Idol Timothy Allen im Rahmen des diesjährigen Xposure International Photography Festival in Sharjah gewonnen hatte. Hier sei angemerkt, dass die Fotos hier von uns beiden stammen.

Gemeinsam mit den anderen vier GewinnerInnen ging es deshalb im November für eine Woche in das Emirat Sharjah, wenige Kilometer von Dubai entfernt, um dort fünf Tage Seite an Seite mit Tim zu fotografieren, von ihm zu lernen und in Folge im Rahmen des Fotografiefestivals die Weltspitze der Fotografie wie zum Beispiel Brent Stirton, Muhammed Muheisen, Don McCullin, Paul Nicklen (gerade wieder in den Medien wegen seiner Aufnahmen eines sterbenden Eisbären), aber auch die National-Geographic-Herausgeberin Kathy Moran kennenzulernen.

Ich hätte es noch vor kurzem nicht für möglich gehalten, dass Aufnahmen von mir von Timothy Allen auf der Bühne des Festivals vorgestellt und ausgestellt werden. Nun bin ich noch nicht lange zurück von dieser zweiten Reise, die wohl das komplette Gegenteil der Reisen ist, mit denen ich mich dafür qualifiziert habe und beide waren unvergesslich.

Wir werden unsere Fotografie- und Buchprojekte also weiterhin eifrig verfolgen und zwischenzeitlich wieder ein größeres Augenmerk auf Iran legen. Aber eine weitere Reise nach Afghanistan schließen wir nicht aus, ja ist sogar wieder im Gespräch. Wer weiß, wann uns das Land wieder hat. Für LeserInnen aus Österreich sei hier noch erwähnt, dass unserer Afghanistan-Story auch bald in „Kurier Freizeit“ erscheinen wird.

Übrigens: Wer erstklassige Reisefotografie sehen will, ist bei Timothy Allen gut aufgehoben: www.facebook.com/timothy.allen

Hier geht es zu meiner TAPSA Gallery: xposure.ae/tapsa-gallery-by-priska-seisenbacher